Bundestagsrede zur Forschung zu Kernfusion

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Sie, liebe Abgeordnete der Union, wollen, dass wir uns jetzt festlegen, ob Kernfusion im zukünftigen Energiesystem eingesetzt wird.

Das steht in Ihrem Antrag. Das wäre in etwa so, als würde man jetzt entscheiden, dass fliegende Autos im Straßenverkehr zuzulassen sind. Die Technologie ist dafür – wir haben es heute gehört – noch viel zu weit entfernt von praktischer Einsetzbarkeit, als dass solche Entscheidungen jetzt überhaupt anstünden.

Die Frage ist doch auch, ob Kernfusion überhaupt jemals eine verlässliche, günstige und sichere Energiequelle wird. Selbst zur Beantwortung dieser Frage braucht es noch viel weitere Forschung; denn die Fusionsforschung wächst gerade erst in ihre Kinderschuhe hinein.

Im Dezember 2022 feierten Wissenschaftler/-innen einen großen Erfolg; es ist erwähnt worden. Nach Milliardeninvestitionen wurde in den USA mit einem riesigen Laser mehr Energie freigesetzt als zuvor hineingesteckt.

Wenige Megajoule konnten gewonnen werden. – Ist das viel, wenige Megajoule?

Sind wenige Megajoule viel?

Nein, es ist gerade einmal so viel, wie eine Windkraftanlage im Bruchteil einer Sekunde erzeugt.

Klar ist: Niemand kann sich heute darauf verlassen, dass Kernfusion uns in Zukunft mit günstiger Energie versorgt, und das wissen Sie auch, liebe Abgeordnete der Union.

Trotzdem so zu tun, macht den Menschen etwas vor, gefährdet die Energiewende. – Ja, Sie sagen zwar, dass Sie weiter an den erneuerbaren Energien festhalten wollen – ich habe das in den letzten Jahrzehnten erlebt –; aber gleichzeitig suggerieren Sie, dass Kernfusion in Zukunft auf jeden Fall angewendet wird.

Wer suggeriert, dass die Supertechnologie Kernfusion uns schon bald mit unendlicher Energie versorgen wird, möchte oftmals eines, nämlich Investoren in erneuerbare Energien verunsichern. Aber diese sind klug genug, diese Aussagen als das zu erkennen, was sie oftmals sind: Effekthascherei.

Eine Gefahr blenden Sie in Ihrem Antrag auch komplett aus, den Missbrauch der Technologie für eine militärische Nutzung, für eine Atombombe. Schon die Kernfusionsforschung muss proliferationssicher sein.

Wir leben eben in keiner idealen Welt; und ich finde das auch nicht lustig.

Ja, die Bundesregierung steht zur Fusionsforschung. Aber Energiepolitik ist vor allem heute reale Wirtschafts- und Umweltpolitik im Hier und Jetzt, in einem weltweit immer schwieriger werdenden Umfeld. Den Weg zur Klimaneutralität 2045 schlagen wir jetzt ein, mit heute einsetzbaren effizienten und immer preiswerteren erneuerbaren Energien. Selbst optimistischste Wissenschaftler glauben nicht, dass die Fusion bis dahin ausgereift ist. Die Kernfusion kommt, wenn überhaupt, viel zu spät, um uns beim Klimaschutz zu helfen.

Kein Wunschdenken, sondern handfeste Energiepolitik ist gefragt. Aufmerksamkeit und Geld konzentrieren wir vor allem dort, wo es dem Klima und den Verbraucherinnen und Verbrauchern bereits heute am meisten bringt: bei der Entwicklung eines modernen Strommarktes, beim Ausbau der erneuerbaren Energien, Stromnetze und Speicher.

Erlauben Sie mir als jemandem, der aus Südwestsachsen kommt, heute, wo die Sonne scheint, wo uns der Fusionsreaktor am Himmel unendlich viel Energie schickt,

zu bedauern und darum zu ringen, dass wir die Fusionsenergie mit Produkten beispielsweise aus dem Werk eines Unternehmens in Freiberg, in meiner Heimat, auch künftig einsammeln können, sodass die Schließung abzuwenden ist.

Darum sollten wir ringen; denn wir haben unendlich viel Energie, auch dank der Erneuerbaren.

Wir sind selbstverständlich offen für Forschung; aber wir werden nicht den Zubau der Erneuerbaren bremsen lassen.

Herzlichen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.

Die Rede kann in der Mediathek des Deutschen Bundestages als Video abgerufen werden.

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