Persönliche Erklärung zum Sicherheitspaket und dem Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung

Persönliche Erklärung von Bernhard Herrmann MdB nach § 31 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zum Abstimmungsverhalten über den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems, Drucksache 20/12805, sowie den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung, Drucksache 20/12806

I.

Der Terroranschlag von Solingen vom 23. August 2024, bei dem drei Menschen ums Leben kamen, war in zweierlei Hinsicht eine politische Zäsur: Zum einen erschütterte der Anschlag fundamental den Wunsch der großen Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland nach einem friedlichen, sicheren und in Freiheit stattfindenden Zusammenleben von Menschen in Deutschland, unabhängig von ihren persönlichen sozialen, religiösen und geografischen Herkünften. Zum zweiten wurde wenige Tage nach dem Terroranschlag von Solingen erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine gesichert rechtsextremistische Partei stärkste politische Kraft in einem Landtag.

Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, dass alle staatlichen Ebenen ihr Handeln, im Bereich der Rechtsetzung als auch in der Verwaltungspraxis, kritisch prüfen, um mit rechtsstaatlichen Mitteln zu einem friedlichen, sicheren und in Freiheit stattfindenden Zusammenleben von Menschen in Deutschland beizutragen und den Bedürfnissen nach Freiheit und Sicherheit in der Bevölkerung in gleicher Weise hinreichend Rechnung zu tragen.

II.

Den beiden vorliegenden Gesetzentwürfen, Drs. 20/12805 und 20/12806 in den jeweils geänderten Fassungen („Sicherheitspaket“), kann ich aus folgenden Gründen nicht zustimmen:

1.

Das „Sicherheitspaket“ umfasst unter anderem eine Absenkung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für Menschen, für deren Asylverfahren ein anderer Staat zuständig ist („Dublin-Fälle“). Die Koalition hat nach der Sachverständigenanhörung mit ihren Änderungsanträgen gegenüber den beiden Gesetzentwürfen in der ursprünglichen Fassung erkennbare Verbesserungen erzielt.

Hierzu seien beispielhaft die Härtefallregelungen beim Leistungsausschluss für Dublin-Fälle genannt. So wird in § 1 Abs. 4 S. 1 AsylbLG-E eine Ergänzung vorgenommen, der zufolge nach dem Erlass einer Abschiebungsanordnung ein Leistungsausschluss nur erfolgen darf, wenn nach Feststellung des Bundesamts für Migration und Flucht die Ausreise rechtlich und real möglich ist. Diese Änderungen der Koalition sind, auch im Lichte der derzeitigen gesellschaftlichen Diskussionslage zur Asyl- und Migrationspolitik in Deutschland, zu würdigen.

Dem gegenüber stehen Regelungen in der geänderten Ausschussfassung, wonach auch in den Fällen einer Härte lediglich die Leistungen des physischen Existenzminimums gewährt werden sollen, obgleich gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf statt einer „außergewöhnlichen“ nunmehr eine „besondere“ Härte vorliegen muss. In der Koalitionsfassung wird nunmehr die Schwelle erkennbar abgesenkt, ab der ein Härtefall vorliegt. Jedoch begegnet auch diese Regelung, gerade mit Blick auf besonders schutzbedürftige Menschen, erheblichen Bedenken aus sozialpolitischer Sicht als auch verfassungsrechtlicher Art.

Mir erscheint es wenig wahrscheinlich bis politisch ausgeschlossen, dass bei den derzeitigen politischen Mehrheiten im Deutschen Bundestag das weiterhin bestehende Schutzbedürfnis geflüchteter Menschen bei anderen politischen Konstellationen eine höhere politische Gewichtung erfährt, gerade bei der Abwägung zu anderen Rechtsgütern.

Daher erkenne ich an, dass die Mehrheit meiner bündnis grünen Fraktion in der politischen Abwägung zur Einschätzung kommt, diese Änderungen mitzutragen.

2.

Mit dem „Sicherheitspaket“, konkret dem Gesetzentwurf zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung, soll eine Verschärfung des Waffenrechts ermöglicht sowie neue Befugnisse für Ermittlungsbehörden im digitalen Raum, unter anderem zum biometrischen Abgleich von öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet mit biometrischen Daten, welche erhebliche Eingriffe in eine freiheitliche Gesellschaft darstellen, ohne dass ein tatsächlicher, real messbarer Zugewinn an Sicherheit belegt ist.

Nach der Sachverständigenanhörung bleiben Zweifel an der tatsächlichen Umsetzbarkeit einzelner Vorhaben, ebenso an der Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und höherrangigen Rechts. Offen bleibt, ob dieser Teil der vorgesehenen Regelungen den Anforderungen an eine effektive und effiziente Gesetzgebung, gerade auch mit Blick auf sich abzeichnende Datenbanken, standhält.

Erschwerend kommt für mich hinzu, dass angesichts der Eingriffstiefe dieser beabsichtigten Regelungen eine umfassende parlamentarische Debatte über notwendige und mehrheitsfähige Vorhaben ein regulärer parlamentarischer Beratungsgang ohne Fristverzicht der geeignetere Weg wäre, um allen Abgeordneten des Deutschen Bundestages, auch jenen mit anderen Arbeitsschwerpunkten als der Innen- und Rechtspolitik, eine umfassende Abwägung aller Folgen in Gänze zu ermöglichen.

Fazit:

In der Gesamtabwägung komme ich zur Einschätzung, dass das „Sicherheitspaket“ einige Regelungen enthält, die nicht nur rechtlich angreifbar sind, sondern auch migrations- und sozialpolitische Schieflagen nach sich ziehen können, die der eigentlichen Intention des „Sicherheitspaket“ einer höheren Sicherheit sogar entgegenstehen.

Ein reguläres Beratungsverfahren ohne Fristverzicht würde allen bei der Gesetzgebung Beteiligten die Möglichkeiten einräumen, eine gründliche und auf umfassender Informationslage basierende Entscheidung zu treffen. Vor dem Hintergrund dieser Sachlage werde ich mich bei den Gesetzentwürfen des „Sicherheitspakets“ enthalten.

Bernhard Herrmann MdB                                                                
Berlin, den 18.10.2024

Bildquelle: Alana Harris auf Unsplash