Rede zur Solarindustrie und Arbeitsplätzen in Ostdeutschland

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Heilmann, ich danke Ihnen zunächst, dass Sie sich zur Resilienz bekannt haben. Das ist in der Union ja offenbar leider nicht mehrheitsfähig.

Ich muss aber sagen: Auch Sie haben sich nicht einmal mit ein, zwei Sätzen zum Thema Ostdeutschland geäußert. Nicht umsonst sitzt der Dresdner Abgeordnete Lars Rohwer bei Ihnen in der letzten Reihe.

Das ist traurig, da es um das Thema „Arbeitsplätze in Ostdeutschland“ geht.

Um einen Eindruck zu bekommen, was die jüngst erfolgte Schließung der Solarmodulproduktion für die Menschen und ihre Arbeitsplätze in Freiberg bedeutet, musste man nur am Tag der Kündigungen in der Stadt zum Supermarkt gehen. Da konnte man nämlich Gesprächsfetzen aufschnappen wie: „Meine Frau hatte gehofft, sie kann bleiben“ oder „Mein Schwager sucht ja schon seit Wochen“. 400 Menschen wurden entlassen, und sie fragen sich, wie es weitergeht. Das ist richtig schlimm für sie alle und deren Familien. Besonders bitter ist es, weil das hätte verhindert werden können.

Gemeinsam haben wir Grüne und ich persönlich über Monate für einen Resilienzbonus, für faire Bedingungen für unsere Solarindustrie gerungen. Besonders ernüchternd aber ist es, da diese Menschen in einer Zukunftsbranche arbeiten, die wir ja unbedingt in Europa halten wollen.

Unternehmen der europäischen Solarindustrie können zurzeit nirgends mit massiv subventionierten chinesischen Solarprodukten mithalten. Man könnte sich ja einfach über billige Module freuen, weil sie kurzfristig den Solarausbau bei uns in Deutschland beleben. Aber das wäre grundnaiv; denn diese Abhängigkeit kann uns sehr, sehr viel kosten. Wer glaubt denn wirklich, dass China auch dann noch den europäischen Solarausbau subventioniert, wenn die hiesige Solarindustrie komplett weg ist?

Dann könnten sie unseren Solarausbau nach Gutdünken stoppen.

Die Folgen massiver Energieabhängigkeit haben wir doch erst jüngst erlebt.

Wir brauchen die europäische, auch die deutsche Solarindustrie. Darum ringen wir Grünen. Und hier geht es nicht um einzelne Firmen, sondern um etliche mittelständische Unternehmen entlang der Produktionskette der Photovoltaik. In Chemnitz, Dresden, Prenzlau und bald in Bautzen beispielsweise werden Solarmodule hergestellt, in Hohenstein-Ernstthal Maschinen, in Nünchritz Polysilicium, in Tschernitz im Süden Brandenburgs Solarglas und in Bitterfeld-Wolfen Solarzellen.

An zweien dieser Standorte haben wir weiterhin eine exzellente Forschungs- und Entwicklungsarbeit. – Herr Wiener, hören Sie zu! Es geht hier um Hochtechnologie und eben nicht um Billigprodukte, die jeder fertigen kann.

Wir werden weiter um faire Bedingungen für diese Standorte ringen. Die sächsische Solarindustrie hat über 20 Jahre selbst schwerste Zeiten überstanden, auch schon einmal den Niedergang der Branche. Der Solarmaschinenbau in Hohenstein-Ernstthal ging aus einer Ausgründung der TU Chemnitz hervor. Das Unternehmen stattet seit Beginn des globalen Siegeszuges der Photovoltaik die Produktionsunternehmen weltweit mit hochwertigen Solarmaschinen aus, und das tut es bis heute.

Die ostdeutsche Solarindustrie hat bewiesen, dass sie auch in schwersten Zeiten bestehen kann. Es lohnt sich, für sie zu kämpfen. Das machen wir Grünen vor Ort auf kommunaler und auf Landesebene genauso wie hier in Berlin und Brüssel. Seit Monaten ringe ich um einen Resilienzbonus; und es ist mehr als ärgerlich, dass wir uns hierzu in der Koalition bisher nicht mal auf eine kostenneutrale Lösung einigen konnten.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat getan, was ihm möglich war, hat alles getan, um die Standorte zu sichern, um ihnen dann beim Kapazitätsausbau zu helfen. Vor allem aber auch die Bemühungen der Landwerke Mittelsachsen, die des Freiberger Landrats lassen hoffen, ebenso jene der EU. Bis 2030 sollen 40 Prozent der neuen Solaranlagen in Europa produziert werden. Die entsprechenden Vorgaben für die Resilienz sind umzusetzen; und genau das werden wir zügig tun. Das wird der europäischen, der deutschen und auch der ostdeutschen Solarindustrie wieder faire Marktbedingungen verschaffen.

Durch zahllose Maßnahmen – ein bisher wohl einmaliges Entbürokratisierungsprogramm – haben wir den Ausbau der Erneuerbaren in Schwung gebracht, und wir arbeiten Monat für Monat weiter daran. So haben wir letztes Jahr doppelt so viele Solaranlagen gebaut wie im Vorjahr. Bald werden wir mehr und mehr davon auch hier bei uns produzieren.

Wir Grüne stehen für diese Vision; denn wir wissen, dass unsere ostdeutsche Solarindustrie unter fairen Marktbedingungen wettbewerbsfähig ist, dass sie dauerhaft gute Arbeitsplätze bereitstellen und beim Klimaschutz helfen kann.

Apropos Klimaschutz: China belebt also seine schwächelnde Industrie mit einer massiven Überproduktion bei der Photovoltaik, schafft damit Dumping, schafft damit schneller als erwartet seine eigenen Klimaschutzziele und verfolgt definitiv auch geostrategische Ziele. Das zu leugnen wäre naiv.

Das Thema Resilienz bleibt also auf dem Tableau. Ich kämpfe mit vielen in der Region weiter darum, damit man in ein oder zwei Jahren vor Freiberger Supermärkten Gesprächsfetzen hören kann wie: „Meine Tochter fängt jetzt ihre Ausbildung in der Solarindustrie an.“ Unsere Regionen haben Zukunft.

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.

Die Rede kann in der Mediathek des Deutschen Bundestages als Video abgerufen werden.

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